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ZELETH DER BRECHER


EPOCHE 1 - ZYKLUS 2 - MOND 847


Die Finsternis. Sie bricht über mich herein. Ihr Maul weit aufgerissen verschlingt sie mich. Hinterlässt nach jedem Hieb ein größeres Nichts in mir. 
Ich. Mein Name. Längst verloren in der unendlichen Leere. Wie lange schwarze Klauen legt sich die Dunkelheit um meinen Hals und schnürt mir die Luft ab.  „Gib dich mir hin!“  Da ist es wieder. Dieses Flüstern. Manchmal ein Rauschen. Eine Stimme? Tausende? Ich weiß es nicht.  Ein Nebel in meinen Kopf. Er macht mich schläfrig. Ich möchte mich ausruhen. Liege ich?  „Wehre dich nicht!“  Mein Kopf bewegt sich. Ich spüre es. Meine Augen sind erblindet durch die undurchdringliche Schwärze. Wieder dieser Schleier um meine Gedanken. Unmöglich sie fest zu halten.  „Habe keine Angst. Ich bin bei dir. Werde dich führen. In eine neue Form der Existenz. Werde ein Prinz Uhltras. Sei ein bedeutender Krieger für deines gleichen. Opfere dich für eine bessere Ordnung des Seins!“  Das Zischen in meinem Kopf ist stärker geworden. Es betäubt mich. Arme und Schultern. Bleiern. Ich fühle gar nichts. Alles leer. Verschwommen. Wer bin ich?  „Mein Krieger!“  Ich höre Fetzen von Lauten. Sie ängstigen mich. Sie klingen wie ein Gohr. Kämpfen. Will kämpfen.  „Nicht gegen mich! Trotze denen, die zu verhindern versuchen, Uhltra zu einem besseren Ort zu erheben.“  Mein Körper wird von etwas umschlungen. Es schnürt mir die Brust ab. Atmen. Schwer. Der Schleier lichtet sich. Verschwommene Umrisse. Kann sehen. Mein Kopf. Was ist das? Dieser Schmerz! Ich schreie! Oder? Es tut so weh! Stechen. Brennen. Wie ein Messer, heiß und glühend, dass in meinem Kopf umher gedreht wird.  „Lass mich hinein! Ich bin nicht dein Feind!“  Ich kann wieder sehen. Magenta glühende Fäden auf dem Boden. Zerstörte, verbrannte Erde mit tiefen Rissen darin.  Plötzlich reißt sich etwas aus mir los! Erneut hoffe ich, dass der Schrei die Schmerzen lindert. Doch das tut er nicht. Denn es gibt keinen Laut. Meine Hände, ich spüre sie. Welch Pein. Die Haut, das Fleisch. Alles schmerzt.  

„Wähle mich, und nie wieder wird dir Leid widerfahren. Entscheide dich für Stormgard, und du wirst dir wünschen, ich hätte einen der Willenlosen aus dir gemacht.“  Diese Stimme. Werde ihr nicht länger zuhören.  Etwas durchbricht meinen Rücken. Jetzt kann ich meinen eigenen Schrei hören. Und ich erkenne, wo ich bin. Hohe Berge türmen sich vor mir auf. Ich spüre die Hitze unter meinen Füßen. In der Luft flimmert roter Staub. Vor meinen Füßen liegt ein gigantischer See aus Xil. Tränen strömen über mein Gesicht. Ich bin jenseits der Splitterschluchten. Oder mitten darin? Umgeben vom Unausweichlichem. Xil. Chaos. Warm und schnell fließt etwas aus meiner Brustpanzerung. Ich blicke an mir hinab. Blut. Getränkt von Xil. Es glimmt. Ich weiß, was das bedeutet. Ich bin verloren.  „Nein! Du bist mein! Lass mich dir zeigen, dass du niemals mehr allein sein wirst. Schließe dich uns an. Sei ein Teil von uns!“  Diese Worte. So verlockend. Doch ich weiß, dass ich widerstehen muss. Ich versuche aufzustehen. Mein Bein will mir nicht gehorchen. Mit aller Kraft, die ich habe, stemme ich mich in die Höhe. Mein Fuß gibt nach. Ich höre ihn brechen. Der Schmerz jagt durch meinen Schenkel in den Bauch und breitet sich als Welle aus bis in meinen Kopf.  „Gib auf!“  Nein. Ich werde nicht nachgeben. Ich werde nicht zu einem Monster. Mein Wille ist stärker. Trotz der Qualen kämpfe ich mich hoch und schleife mein rechtes Bein nach. Es hängt nur noch als Fetzen an mir. Sie wandeln mich um. Zu einem dieser entstellten seelenlosen Wesen, die alles töten, was sich ihnen in den Weg stellt.  „Du kannst nicht entkommen. Du bist mein!“  Ich spüre die Wut in der Stimme. Ist es meine? Werde ich verrückt. Ein alles zermahlender Schmerz trifft mich direkt hinter den Augen. Er blendet mich, und ich schreie erneut vor Qual und Folter. Meine Füße geben nach. Ich krache auf den harten Boden. Mein Kopf knallt auf einen spitzen Stein und durchbohrt meine Schläfe. Doch ich fühle nichts. Nur den brutalen Schmerz in meinem Kopf. Xil strömt aus mir. In mich. Der gleisende Schmerz wird zu einer Welle. Sie kommt auf mich zu. Ich sehe sie vor mir. Alle. Alle, die einst wie ich waren.  „Lass los von diesem alten Leben. Werde zu etwas neuem.“  Ein vergangener Name stolpert in meine Gedanken. Silas. Bin ich das?   „Zeleth! Du bist Zeleth.“  Ich schüttele das Rauschen ab. Höre sie nicht mehr. Klammere mich an die Erinnerung. Sie wird mir helfen, nicht zu mutieren. Kein Scheusal zu werden. Ich habe eine Schwester. Maila. Zart kribbelt es in meinem Kopf. Festhalten.  Maila. Ich sehe ihr Lächeln. Ihr helles Haar, das meinem gleicht. Ein Lächeln erhellt meine Schwermut. Wie ich sie vermisse.   „Zeleth!“  Lass mich nicht leiden, Maila. Gib mich nicht auf. Du wirst einen Weg finden. Ich bin hier. Ich warte auf dich.  „Dein Weg ist geschrieben, Zeleth. Du bist ein Teil von uns.“  Die Übermacht mit der es nun meinen Körper übernimmt, kann ich nichts entgegensetzen. Die Schmerzen und Qualen zerreißen mich, aber ich bin außerstande meiner Angst und meiner Leid Ausdruck zu verleihen. Meine Augen starren in die Leere. Furcht weicht Gleichgültigkeit. Das Rauschen wird ein sonorer Ton aus einer Stimme, die doch viele sind.  „Uhltra! Gehört uns!“ 

Ein Schwarm aus Stimmen schreit immer wieder diesen Satz. Übernimmt meine Gedanken. Und im Zentrum allen Wahnsinns diese Stimme, die einen neuen Namen nennt.  „Zeleth!“  Ich spüre, wie mir die Arme und Beine ausgerissen werden. Mein Kopf sich in alle Richtungen verbiegt und bricht. Wächst. Bricht. Zerschellt. Nur der Schmerz bleibt. Er erinnert wer ich bin. Und bleibe. Für Maila.  „Zeleth! Der Brecher, der Stormgard vernichten wird.“  Ich erhebe mich, und die Erde bebt unter meinen kräftigen Füßen. Ich trete auf den See zu, und das Monster beugt sich herab, damit ich es sehen kann. Das was aus mir geworden ist. Was wir jetzt sind. Eine gigantische Gestalt. Größer als jeder bekannte Titan. Weißes Haar. Arme, durchzogen von flüssigem Xil. Bereit jeden zu zerquetschen, der sich uns in den Weg stellt. Egal wer. Der Körper zittert vor Kraft und unbändigem Zorn. Eine Art Sichel, die aus unserem deformierten Kopf gewachsen ist, zeigt nach Stormgard. Das Brüllen aus unserem Maul, schwarz, Speichel triefend vor Hunger, hallt angsteinflößend durch die Weiten der Splitterschlucht. 

Meine Augen schließen sich. Sehe keine Splitterschluchten mehr. Nur Finsternis. Rufe sie.

Endlich. Mein Zeleth!