SCHLACHT UM GULBUR QUIR
EPOCHE 1 - ZYKLUS 2 - MOND 360
Belden Sidus blickte vorsichtig an dem Hünen neben sich empor. Er spürte das Zittern in seinen Gliedern. Nicht wegen der beeindruckenden Gestalt von Victor Tescar, sondern wegen dem was vor ihnen lag.
Victor Tescar stand reglos neben ihm, mit starrem Blick in die Dunkelheit. Selbst in dem fahlen Schein einiger weniger Fackeln bewunderte Belden die schmiedeeiserne Rüstung. Der Blick auf den winzigen Xilkristall auf dem Brustpanzer von Victor war verstohlen, aus Angst sich sofort in einen Gohr zu verwandeln. Belden schluckte etwas verkrampft und klammerte sich an seine Lanze, die im Vergleich zu der Waffe die Victor sein Eigen nannte, eher wie ein Zahnstocher wirkte. Stormwächter. Eine Klinge, die sogar die hochgewachsene Gestalt von Tescar überragte und selbst einen ähnlichen Heldenstatus unter den Soldaten und Kriegern Stormgards einnahm, wie der Mann, der sie führte. Doch trotz der Verehrung, die Belden für Tescar und die Armeen hegte, wusste er, dass er nicht an diesen Ort gehörte. Doch sein Onkel, Alma Sidus, Senatsmeister des Wirtschaftssektors, hatte darauf bestanden, dass er seinen Teil zum Wohle Uhltras beitrug. Und da er nach dem Tod seiner Eltern, in seiner Obhut aufgewachsen war, tat er, was sein Onkel von ihm verlangte. Belden blickte zu Boden. Seine Rüstung war stark und würde sicherlich einige Schläge und Hiebe verkraften, dennoch zitterte er darin so stark, als wäre er eine Nuss, die in seiner Schale hin und her wackelte. Als hinter ihm mehrere Hörner die Ankunft des Feindes ankündigten, packte Belden pure Panik. Er drehte sich nach den Signaltönen um und kämpfte darum mit jedem hektischen Atemzug, Sauerstoff in seine Lungen zu befördern. Sie waren einige Meilen hinter Gulbur Quir, der letzten Mauer des freien Willens und der Freiheit.
Wieder ertönten die Hörner, das dritte Mal. Sie waren in Sichtweite. Langsam und vorsichtig, als wenn seine Augen den Anblick des nahenden Unheils nicht überstehen würden, schaute er auf den Horizont. In der Finsternis sah er erst gar nichts, doch die einsetzende Dämmerung, die sich von Osten her gegen die Dunkelheit stemmte, offenbarte ihm die gewaltigen Ausmaße der Seuche. Belden glaubte sogar Tescar neben sich einen faden Laut ausstoßen zu hören, doch es konnte auch sein eigener panischer Atem sein, der wie eine rasselnde Flöte bizarre Töne anschlug. Der gesamte Horizont war mit einer dicken Staubwolke überzogen. Die vordersten Kompanien, bestanden aus unzähligen Schildwachen mit Schwert und festem Schild. Sie formten sich zu Divisionen und verbreiterten ihre Front. Schützend hoben die Soldaten ihre Schilde zum Schutz gegen den nahenden Tod. Die dahinter liegenden Formierungen taten es der ersten Front gleich und auch die unzähligen Einheiten aus Kriegsochsen brachten sich in Stellung. Schnaufend und brüllend wurden sie an die Flügelspitzen getrieben und verbreiterten die Angriffsfläche weiter. Das nervöse Schnaufen der Donnerhufen und das Rascheln der Rüstungen waren die einzigen Geräusche, die Beldens Sinne als Regung erfassen konnten. Keine Angst, keine Panik. Niemand verließ schreiend die Formation. Dabei fühlte er sich genau danach. Nach Flucht. Dennoch stand er hier neben Tescar auf einer steinernen Plattform und machte sich fast in die Hose. Tescar blickte in seine Richtung. Erschrocken schaute Belden auf, und war erleichtert, als er erkannte, dass der Held Stormgards an ihm vorbeischaute. Die tiefe Narbe, die von seiner Stirn über das linke Auge hinweg in den Kragen seiner Rüstung verschwand, hinterließ dem Betrachter einen deutlichen Eindruck davon, was da draußen auf einen wartete. Und der kalte Blick seiner grünen Augen ließ keine Gegenwehr zu. Dieser Mann war die Hoffnung von Uhltra. Zwei Gelehrte standen in ihren blau-grauen Kutten unweit von ihnen und nickten Tescar schwach zu. Er hob eine Hand und ein Zischen trat aus den unteren Reihen. Belden beugte sich leicht nach vorn und sah, wie eine lange Schnur aus Pfeilen entzündet wurde und die Bögen sich unter enormer Kraftanstrengung zu biegen begannen. Diese Männer nannte man Adleraugen. Jeder Pfeil, den diese Soldaten abfeuern, würde sein Ziel treffen. Selbst über große Distanzen verfehlte ein Adlerauge nie seinen Gegner. In Belden erwachte eine gewisse Vorfreude, denn er hatte die Reihen dieser speziellen Truppen noch nie im Einsatz erlebt. Selbst konnte er sie in der Dunkelheit unter sich nicht ausmachen. Er sah nur das helle Flackern der Pfeile.
Mit einem Mal spürte er eine Bewegung hinter sich und wusste, dass Tescar das Signal gegeben hatte. Eine kindliche Freude stieg in ihm auf, als er sah, wie die brennenden Pfeile in die Höhe stoben und in der Finsternis verschwanden. Er bemerkte wie er die Luft anhielt, als die Sekunden verstrichen und keiner der Pfeile sein Ziel erreicht zu haben schien. Belden starrte ins Nichts, und Kälte kroch in ihm hoch. Die Pfeile waren verloren. Sie schienen verloschen, noch bevor sie ihre Kraft hatten entfalten können. Belden verstand nicht, was da passiert war und sank neben Tescar auf die Knie. Sollten sie verloren haben, noch bevor der Kampf begonnen hatte? Doch als er den Kopf senken wollte, um seinem nahenden Tod nicht ins Auge sehen zu müssen, entzündete sich in einer großen Distanz eine riesige Feuerschneise. Eben in dem Moment, als die Horden diesen Punkt passieren wollten. Belden schnellte in die Luft und hob zitternd seine Lanze. Er war der einzige, von dem etwas zu hören war. Erst als Tescar seine Lanze packte und ihm aus der Hand entriss, blickte er auf. Belden wusste, dass er kein Soldat war. Er war ein Niemand. Tescar warf die Lanze beiseite, und trat auf einen der Soldaten hinter sich zu. Diesem entzog er ein Schwert und presste es Belden an die Brust. Es schien als würde Victor spüren, dass Belden mehr brauchte als eine stachelige Lanze, um. Belden war froh, dass es noch nicht so hell war, dass man die Schamesröte sehen konnte, die sich über seinem Gesicht ausbreitete. Aber Tescar hatte recht, auch wenn er kein Wort gesagt hatte. Er musste sich zusammenreißen. Plötzlich hob Tescar den Arm und man hörte ein seltsames Rattern. An den Flanken des Heeres zogen jeweils zehn Kriegsochsen schnaufend und brüllend große schwere Konstruktionen hinter sich her. Es hatte geregnet, daher sanken die Räder tief in den Matsch, sodass die Ochsen sich gegen das Absinken stemmen mussten und zugleich versuchten, den Peitschenhieben zu entkommen, die ihnen befahlen sich vorwärts zu bewegen. Da Belden sich mit Kriegs-maschinerie nicht auskannte, konnte er das Konstrukt nicht benennen, das da zu beiden Seiten herangezerrt wurde. Aber sie sahen aus wie überdimensionale Armbrüste, die mit unzähligen, scharfen Klingen bestückt waren. Belden beobachtete, wie die Geräte in Position gebracht wurden. Vier großgewachsene Hünen, bestiegen das Konstrukt und stützten sich jeweils zu zweit gegen eine Kurbel. Er hörte das Klappern und Rattern, als das Zahnrad, welches den Bogen spannte, immer schwerer zum Drehen zu bewegen war. Dann gab es einen Hieb und der Anschlagbolzen rastete ein. Die Männer sprangen herab und halfen anderen, schwere lange Eisenstangen herbeizutragen. Gemeinsam hievten sie die Stangen in die Verankerungen. Sie standen schräg nach oben ab, sodass Belden jetzt deutlich die scharfen und langen Klingen sehen konnte, die diese wuchtigen Stahlpfeile krönten. Einer der Soldaten salutierte. Sie waren gespannt, bereit und warteten auf ihren Einsatz. Der Kommandant der Einheit blickte zu Tescar auf und wartete auf das Signal. Doch Tescar wartete noch. Er starrte auf den flammenden Horizont. Er setzte seinen Helm auf und sprang behände von der Plattform. Belden tat es ihm gleich und folgte ihm. Tescar, der immer in jeder Schlacht noch vor der ersten Linie kämpfte, ging wortlos an dem Kommandanten vorbei, der auf seine Befehle zum Abschuss wartete.
Zitternd umklammerte Belden das Schwert, das sich unnatürlich schwer in seinen schwachen Händen anfühlte. Er konnte es kaum greifen, und je mehr er es packte, desto mehr entglitt ihm das Heft. So schlurfte er hinter dem Helden Stormgards drein, der sich etliche Meter vor die erste Formation platzierte, und sich den Feuerring anschaute, der allmählich den vielen darin versinkenden Körpern nicht mehr standhielt. Belden kniff die Augen zusammen und starrte auf das Leuchtfeuer in der Ferne. Anscheinend war die Schneise ein tiefer Graben, angefüllt mit Teer. Daher versanken die ersten Kreaturen darin und verbrannten bei lebendigem Leibe in der Gluthitze des beigemischten Blutes der Kupferberge. Eine zähe Flüssigkeit, welche die Zwerge aus Gestein gewannen. Nur sie kannten die Technik und wussten um deren Gefährlichkeit. In kleinster Menge erhellt es die Tunnelsysteme der Zwerge. Doch hochdosiert und in größerer Menge, brachte ein Funken Feuer ganze Berghänge zum Einsturz. Vermischt mit Teer wurde es zu einem lodernden Inferno, das sich nur selbst zu löschen vermochte. Doch was eigentlich der Tod für alles und jeden war, ließ diese Kreaturen nicht innehalten. Diese Wesen fühlten nichts. Außer dem Wunsch anderes zu vernichten. Belden sah auch aus dieser Distanz, wie brennende, skelettierte Arme oder Köpfe aus dem Feuerring ragten und versuchten das Hindernis zu überwinden, bevor sie verendeten. Andere hirnlose Hüllen stürzten sich auf die lebenden Fackeln und schmolzen ebenso unter der Gluthitze des Blutes der Kupferberge. Noch war das Inferno ihr Schutz. Die flackernden und tanzenden Flammen enthüllten die widerlich entstellten Ausgeburten der Splitterschlucht, die hinter dem Feuer darauf drängten zu töten und allem Leben ein Ende zu setzen. Allmählich hatte sich der Feuerring mit unzähligen Körpern gefüllt, die von der Gluthitze nicht so schnell verbrannt werden konnten und schlussendlich eine Brücke bauten. Belden schluckte heftig und blickte erschrocken zu Tescar auf, der seinen Arm gehoben hatte. Er hörte wieder ein Rascheln. Die Adleraugen hatten ihre Bögen mit neuen Pfeilen gespickt und warteten gespannt im Anschlag auf den Befehl. Ein lautes Knacken hinter ihm ließ Belden sich umblicken. Bei beiden Kriegsgeräten wurden die Sicherung gelöst. Plötzlich erhob Tescar neben ihm seine Stimme. „Für Uhltra!“, brüllte er und hob seine Waffe über seinen Kopf, beugte die Knie und stürmte plötzlich vorwärts. Belden hob ruckartig den Kopf, als er hörte wie die Adleraugen die Pfeile zischend in die Luft entließen. Im nächsten Augenblick schossen mit einem Hieb die messerscharfen Klingen der großen Kriegsgeräte in die Luft. In diesem Meer aus Stahl spiegelte sich das Glitzern der Morgenröte wieder. Er verfolgte den Flug der Klingen, bis sie mit Wucht und Durchschlagskraft auf ihre Gegner trafen. Eine der Klingen durchbohrte gleich drei Dämonen und hielt sie kampfunfähig fest. Eine weitere durchschlug einem großen Mutrag den Schädel und blieb darin stecken. Dennoch versuchte seine überdimensionale Klaue, die an eine Schere erinnerte, die Klinge zu zerteilen, nur um sich damit selbst zu halbieren. Danach regte sich das Monster nicht mehr und die Einschläge der Klingen waren beendet. Sie hatten mäßig die Reihen des Gegners beräumt, aber jedes dieser Eisenmesser hatte getroffen. Hinter Belden ertönten weitere Schreie und die Reihen aus Soldaten und Schildwachen setzten sich rasch in Bewegung, um ihrem Anführer in den Kampf zu folgen. Der Boden begann zu vibrieren und Belden rannte um sein Leben, als das Bataillon aus berittenen Donnerhufen sich vor die Soldaten setzte und auf den Gegner zustürmte. Belden wich so gut er konnte den stampfenden Hufen und den schnelleren Soldaten aus, die an ihm vorbeistoben. Er stürzte und bedeckte seinen Kopf mit seinen Händen, um sich vor der geballten Kriegsmaschinerie von Stormgard zu schützen. Als das Vibrieren des Bodens nachließ blickte Belden auf und erhob sich rasch. Alles in ihm wehrte sich gegen das Weitergehen, als er einen Blick vor sich warf. Die Horden brachen an allen möglichen Stellen über die Feuerlinie. Blutige Mäuler wurden weit aufgerissen, bereit das nahende Opfer zu zerfleischen. Belden beobachtet ein zähnefletschendes Ungetüm, dass sich auf vier kurzen, stumpfen Überresten seiner Beine auf Tescar zu walzte. Tescar hielt nicht inne in der Attacke auf die scheinbare Übermacht. Er erhob Stormwächter und stach es dem Monster direkt zwischen die Augen, nutzte die Fratze als Sprungbrett und stieß sich mitsamt seiner Waffe ab, um sie dem nächsten Angreifer in die Brust zu jagen. Dann versank Tescar in den Körpern, die sich auf ihn stürzten und Belden blieb das Herz stehen. Als der Rest der Armee von Stormgard auf die Horden traf, gab es einen dumpfen, beinahe glockenartigen Laut, der sich in alle Himmelsrichtungen ausbreitete und Belden innehalten ließ. Er konnte nicht weiter gehen. Er sah wie Kriegsochsen von den widerlichen Kreaturen zerfetzt wurden, als wären es Strohpuppen. Andere Tiere und deren Reiter brannten nun ebenfalls lichterloh, da die Monster das Feuer mit aus dem Graben zerrten und es sich allmählich über das Schlachtfeld fraß. Ungleiche Kämpfe zwischen winzigen Menschen mit spitzen Lanzen und kleinen Klingen, gegen haushohe Abartigkeiten, die keinen Schmerz mehr kannten. Das Heer Stormgards wurde niedergetrampelt, zerfetzt oder bei lebendigem Leib gefressen. Belden würgte und bemerkte, dass er mitten auf dem Feld stehen geblieben war. Doch hinter ihm stoben noch immer Freiwillige ihrem Tod entgegen. Niemand nahm auf den jungen Mann Rücksicht, der von Schultern angerempelt oder von Füßen weggetreten wurde. Schnell lag er erneut am Boden und wurde von den eigenen Männern beinahe niedergetrampelt.Sein Helm war verschwunden und einige Tritte landeten an seinem Kopf, bis er es schaffte, sich an einen kleinen Felsen zu rollen, der ihm Schutz bot, nicht in den eigenen Reihen totgerannt zu werden. Er versuchte sich in dem Gemetzel um sich herum einen Überblick zu verschaffen. Tote. Zerfetzte Körper. Belden war sich nicht sicher, wie in so kurzer Zeit so unendlich viele Menschen um ihn herum einen so grausamen Tod hatten erleiden können. Hin und wieder hörte er das zischende Schreien der Pfeile, die noch immer von den Adleraugen in die Ferne geschossen wurden. Übelkeit stieg in seinem Magen auf, als er einen riesigen fleischigen Körper durch die Reihen der Schildwachen walzen sah und etliche Männer unter sich zerquetschte wie reife Trauben. Der absurd winzige Kopf schnappte nach allem was sich bewegte. Und bekam er etwas zu fassen, zerrissen die kurzen Arme die Körper und badeten seinen fetten Leib mit dem Blut und Gedärmen seiner Opfer. Das Waffengeklirr wurde übertönt von dem Fauchen und Jaulen der xilverseuchten Abartigkeiten und den Schmerzensschreien von verletzten oder sterbenden Soldaten. Belden wusste, dass dieser Kampf aussichtlos war. Er schluckte und blickte in das aufsteigende Sonnenlicht, nur um noch etwas Schönes zu entdecken, bevor er in dem Gestank aus Blut und verrottetem Fleisch sein Ende finden würde. Trotz des Lärms um ihn, nahm er ein unschönes Knacken neben sich wahr, als wenn es genau neben seinem Ohr gewesen wäre.
Belden schluckte. Vorsichtig blickte er nach links. Das furchteinflößende Krachen, das in seiner Lautstärke an eine Nuss erinnerte, die in einer Höhle geknackt wurde. Dazu gab es ein Geräusch, als wenn etwas abreißen würde. Belden hätte am liebsten geschrien vor Panik, als er den Gohr neben sich sah. Lange spitze Stacheln überzogen seinen gesamten grau blassen Körper, der die Farbe einer Leiche hatte. Die Finger waren zu messerscharfen Klauen mutiert, die einen leblosen Soldaten in der Hand hielt. Die weit aus dem Maul abstehenden Zähne versuchten den Kleidungsfetzen seines Opfers Herr zu werden, bevor der Dämon ein abstoßendes Knurren von sich gab und seine Zähne erneut in das Fleisch bohrte und mitsamt dem Knochen herausrissen. Belden würgte, als er den Geruch des Blutes und anderen menschlichen Ausscheidungen wahrnahm. Dazu noch der Gestank der Gohrs, die den bestialischen Duft des Todes auf ihrer Haut trugen. Belden konnte den Blick nicht von dem Monstrum abwenden, der keinen Meter neben ihm den Körper des Soldaten zerfetzte. Dennoch schoben ihn seine Füße rückwärts über den Boden, als hätten sie einen eigenen Willen. Vorsichtig wich er dem Felsen in seinem Rücken aus und schob sich in die dahinterliegende Finsternis. Dann knackte es unter ihm. Panisch sah er auf und starrte dem Gohr direkt in die leblosen schwarzen Augen. Er begann zu Knurren und spie die Überreste des Armes aus, den er gerade filetiert hatte. Das Blut rann haltlos aus seinem weit geöffneten Maul und mit seiner langen Zunge schien es ihn auf die kurze Distanz eher spüren zu können, als mit seinen Augen zu sehen. Belden hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper und seine Blase. Er pinkelte sich ein. Wahrhaft. Mitten auf dem Schlachtfeld. Stocksteif lag er da. Er zitterte so sehr, dass seine Rüstung leise klackernde Geräusche von sich gab und egal wie sehr Belden versuchte das Vibrieren seines Körpers zu unterdrücken, gelang es ihm nicht. Der Gohr kam auf ihn zu. Und der Gestank kam mit ihm. Belden erinnerte sich einst in einem Schlachthaus gewesen zu sein und dort hatte es ähnlich gestunken. Nur dass der Gohr wohl schon länger verweste, denn Belden fehlte bald die Luft zum Atmen. Die Übelkeit stieg ihm die Kehle hoch und er konnte dem Druck seines Magens nichts mehr entgegensetzen. Belden erbrach sich liegend, den Blick auf sein Ende gerichtet und wünschte sich nichts mehr als den Tod durch etwas anders zu erleiden, als bei lebendigem Leib zerfleischt zu werden. Belden erinnerte sich an die Waffe in seiner Hand, und er umklammerte sie mit beiden Händen so fest, dass es schmerzte. Die Spitze des Schwertes wedelte durch das Zittern seines Körpers unkontrolliert vor dem Gohr herum. Das Monstrum wischte mit einem seiner langen Pranken das Schwert aus seinem Sichtfeld und ging einen weiteren Schritt auf Belden zu, der in seiner Angst nach hinten wich. Belden sammelte seine Sinne. Sein Kopf dröhnte. Der Ghor stand nun direkt über ihm und beugte sich ruckartig zu Belden hinab, als wenn er es genießen würde, dem jungen Mann Angst einzujagen. Die Dornen des Gohrs begannen sich gegen die schützende Haut des Brustpanzers zu drücken und bohrten kleine spitze Löcher hinein. Seine Hosenbeine hatten weniger Glück, doch die scharfen Spieße ritzen sich nur oberflächlich in seine Haut. Belden bemerkte das überhaupt nicht. Zu groß war seine Angst. Er stellte sich vor wie sich diese speerartigen Zähne in sein Fleisch bohrten und Stück für Stück seine Haut abziehen würden, um ihn zu verspeisen. Als das Monster über Belden ihm mit einem Hieb seiner Klauen das Gesicht zerfetzten wollte, wurde er des Schwerts in seiner Hand gewahr, und er hob es schützend so gut er konnte, mit der Spitze voran, in Richtung seines Gegners. Der Gohr sank schwer und tief in das Schwert hinein und sein Gewicht begann Belden zu zerquetschen. Die Dornen begannen unter der Last und dem nicht nachgebenden Stahl des Brustpanzers zu brechen. Doch weder dies noch was sich da todbringend durch ihn bohrte, kümmerte dieses mutierte Wesen. Er schien so seinem Ziel nur schneller näher zu kommen. Das Maul des Ghors war nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt und seine Zunge begann bereits an Belden zu lecken, um sich einen Vorgeschmack auf die Beute zu holen. Belden begann sich plötzlich zu wehren. Er versuchte unter der Last des Ungetüms hervor zu kommen, doch dadurch sank sein Gegner nur noch tiefer auf ihn. Beldens Angst und Panik schlug in Verzweiflung um. Ein Blick zu allen ihn möglichen Seiten, zeigten ihm keine verwendbaren Waffen, die er dem Ghor an den Kopf werfen, oder hineinspießen konnte. Sein Jammern und Heulen schien den Dämon jedoch nur noch mehr anzustacheln, denn er schob sich noch tiefer auf das Heft des Schwertes. Belden erstarrte. Als das Blut des Soldaten, gepaart mit dem Speichel des Ghors sich über sein Gesicht ergoss, verkrampfte sich erneut alles in ihm. Seine Hände zitterten unter der Last das Schwert gegen den Körper über sich zu pressen, und seine Tränen versperrten ihm die Sicht. Als der Ghor nach ihm zu schnappen begann und die spießartigen Zähne des Ungeheuers mit einem lauten Klacken und Klappern immer wieder aufeinanderschlugen, wandte er sein Gesicht so gut er konnte ab und versuchte sich von ihm wegzudrehen, um mit weit aufgerissenem Mund Luft holen zu können. Das Gewicht des Gohrs war plötzlich verschwunden und jemand packte ihn. Er wurde auf die Füße gerissen und man befahl ihm zu rennen. Belden taumelte vorwärts, nicht in der Lage zu begreifen, dass er gerade mit dem Leben davongekommen war.
Er wischte sich grob über das Gesicht und konnte vereinzelte flüchtende Soldaten erkennen, die in dem aufkommenden Tageslicht in Richtung Gulbur Quir flohen. Der Kampf war verloren, erkannte Belden plötzlich und sah zu seinem Retter auf. Niemand anderes als Tescar hatte den Gohr getötet. Und er selbst war ebenso blutüberströmt, schien aber unverletzt. Er dankte alle ihm bekannten Göttern für seine Rettung, und er wusste, dass er niemals wieder kämpfen würde. Dennoch konnte Belden es nicht lassen, einen Blick zurück zu werfen, als sie die Anhöhe erklommen hatten. Alles was er noch sehen konnte, waren die Unmengen an toten Körpern, die sich über dem Schlachtfeld verteilten. Der Horizont war staubig und schwarz. Sie waren wohl nur auf die Vorhut der Horden gestoßen, und die hatten sie zermalmt wie kleine Insekten. Dann wurde Belden an den beiden Gelehrten vorbeigezerrt, die von Tescar einen lautlosen Befehl erhielten. Sie würden ihnen wohl zur Flucht verhelfen. Als sich die ersten Staubwolken erhoben und sich ein Sturm zusammenbraute, stoppte Tescar plötzlich. Er ging an den Rand der Klippe und starrte gegen den wirbelnden Sand in die Ferne. Mitten in den Reihen der Horden türmte sich etwas Riesiges auf. Turmhoch. Belden trat an seine Seite. Er sah es ebenso. Schemenhaft konnte man Hörner erkennen, und sie wussten beide sofort, dass sie schneller sein mussten als jemals zuvor in ihrem Leben. „Insidiis?“, fragte Belden mit trockener Kehle. „Ja.“, hörte er Tescar flüstern, bevor er Belden packte und mit ihm nach Gulbur Quir rannte. Das Chaos läutete einen Krieg ein, der unweigerlich vor die Tore von Stormgard führen würde.